Bei Botulinumtoxin handelt es sich um eines der bekanntesten Neurotoxine. Auch wenn Botulinumtoxin eines der stärksten Gifte weltweit ist, kann es wohl dosiert medizinisch genutzt werden. Der Name leitet sich aus dem Lateinischen ab. Botulus bedeutet „Wurst“ und Toxin bedeutet „Gift.“ Clostridium Botulinum Bakterien bilden dieses Gift. Dies passiert, wenn dieser Prozess unter einem völligen Luftausschluss stattfindet, also Sauerstoff fehlt (anaerob). Das ist der Grund, warum früher diese Bakterien in Lebensmitteln, die nicht optimal konserviert wurden, Gift bildeten. Deshalb trat dieses Gift in Konserven auf. Botulinumtoxin war in der Vergangenheit für zahlreiche Lebensmittelvergiftungen verantwortlich. Diese Vergiftungen wurden als Botulismus bezeichnet. Die Auswirkungen waren zu der damaligen Zeit gravierend. 12 bis 36 Stunden nach Aufnahme des Giftes kann es zu einer Atemlähmung und als Folge zu einer Lungenentzündung (Aspirationspneumonie), die zum Tod führt.
Die Lebensmittelvergiftungen veranlassten Wissenschaftler, das Bakterium und sein Gift zu erforschen: Ein großes Geschenk für die Medizin. So konnte die Wirkung von Botulinumtoxin - es lässt Muskeln für eine begrenzte Zeit erschlaffen - dokumentiert werden. Auf dieser Wirkung, die auch chemische Denervation genannt wird, baut die heutige Medizin auf. In der ästhetischen Medizin erhielt das Nervengift eine ganz besondere Attraktivität. Botulinumtoxin wird zur Faltenunterspritzung eingesetzt. Auch im Kampf gegen eine übermäßige Schweißproduktion hilft der Wirkstoff.
Bei Botulinumtoxin handelt es sich um ein Protein, das vom Clostridium botulinum Bakterium produziert wird. Der Name des Toxins geht auf einen Landarzt zurück. Im Jahr 1822 erwähnte Justinus Kerner zum ersten Mal das sogenannte „Wurstgift,“ auf das er bei einer Lebensmittelvergiftung aufmerksam wurde. Gleich mehrere seiner Patienten starben nach dem Konsum von Lebensmitteln, die verdorben waren und in denen dieses Gift enthalten war.
Inzwischen sind sieben verschiedene Arten von Botulinumtoxin bekannt. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Serotypen. Das bedeutet, dass der menschliche Körper auf die verschiedenen Botulinumtoxinarten unterschiedlich reagiert. Die Serotypen besagen, dass die Oberflächenstruktur der Botulinumtoxin-Moleküle unterschiedlich ist. Will der Körper das Gift abblocken, sind verschiedene Antikörper erforderlich. Es gilt das Schlüssel-Schloss-Prinzip. Metaphorisch kann man sich das so vorstellen: Jede Art von Botulinumtoxin stellt ein eigenes Schloss dar. Will der Körper sich erfolgreich gegen das Gift wehren, braucht er jeweils einen anderen Schlüssel in Form eines Antikörpers.
Die verschiedenen Typen von Botulinumtoxin werden wie folgt unterteilt:
Für die Medizin sind Botulinumtoxin Typ A (BTX-A) und das Botulinumtoxin Typ B (BTX-B) wichtig. BTX-A wird in der ästhetischen Medizin (zum Beispiel als Botox®, Vistabel®, Dysport® oder Azzalure®) eingesetzt. Präparate mit Botulinumtoxin Typ A sind aber nicht nur für die Behandlung von Falten (Glabella-Falte / Zornesfalte), sondern auch zur Behandlung von einem Lidkrampf (Blepharospasmus) und einem Schiefhals (Torticollis) zugelassen. Botulinumtoxin B wird ebenfalls in der Medizin eingesetzt (zum im Präparat Neurobloc®). Auch Präparate mit BTX-B werden zur Behandlung von einem Schiefhals (Torticollis) eingesetzt.
Botulinumtoxin ist als Arzneimittel in gut 70 Ländern rund um den Globus zugelassen. Die Anwendungen, für die das Toxin genutzt werden darf, sind streng definiert. Aufgrund dessen, dass Botulinumtoxin so aufbereitet wird, dass seine Giftwirkung zu vernachlässigen ist, wird der Wirkstoff auch als Botulinum bezeichnet.
Botulinumtoxin wird in einer Reihe von medizinischen Bereichen genutzt. Zum ersten Mal kam Botulinumtoxin zum Einsatz, um Menschen, die schielen, zu behandeln. Bei der Schlaganfallrehabilitation spielt Botulinum ebenso eine Rolle. Anschließend wurde das Mittel vor allem zur Behandlung von krankhaften Muskelverspannungen verwendet. Bei Migräne und Spannungskopfschmerzen hat der Wirkstoff vielen Patienten geholfen: Durch die Reduzierung der Muskelspannungen werden die Kopfschmerzen der Patienten gelöst.
Übermäßiges Schwitzen ist eines der weiteren Anwendungsgebiete. Unwillkürliche Zuckungen der Augenlider und Lidkrämpfe werden mit diesen Wirkstoff gleichermaßen behandelt. Eine Fehlstellung des Halses (Schiefhals) lässt sich mit Botulinumtoxin korrigieren, sofern diese auf die verstärkte Aktivität einzelner Muskeln zurückzuführen ist. Weitere Anwendungsgebiete von Botulinumtoxin in der Medizin zeigt die nachfolgende Liste auf:
Menschen, die an übermäßig viel Schweiß leiden, schämen sich meist sehr. Mit Botulinumtoxin ist es möglich, die Schweißproduktion zu blockieren (Schweißbehandlung mit Botulinumtoxin). Dazu wird der Wirkstoff direkt in die Schweißdrüsen gespritzt. Sofern es sich bei dem übermäßigen Schwitzen um ein Krankheitsbild handelt, trägt in den meisten Fällen die Krankenkasse die Kosten. Wer hingegen vermehrt, aber nicht krankhaft stark schwitzt, muss die Behandlungskosten selbst tragen. Nach sechs Monaten lässt die Wirkung nach und die Behandlung muss wiederholt werden.
Unsere mimischen Gesichtsfalten können durch ein ineinandergreifendes komplexes muskuläres Muster ausgelöst werden. Verantwortlich dafür sind 24 Gesichtsmuskel. Da wir unser Gesicht ständig bewegen, entstehen im Laufe der Zeit Falten. Abhängig von der Mimik, welche die Falten verursacht hat, ist zum Beispiel von Lach- oder Zornesfalten die Rede. Falten werden also unter anderem durch Muskelbewegungen hervorgerufen. Aufgrund dessen, dass sich Botulinumtoxin auf Muskeln entspannend auswirkt, ist dieses Mittel perfekt, um Falten zu lindern. Je nachdem, wie Botulinumtoxin dosiert wird, entspannen sich die Muskeln im Gesicht oder können gar nicht mehr bewegt werden. Dies erreicht Botulinumtoxin, indem es den Botenstoff, der erforderlich ist, um die Muskeln zu bewegen, blockiert.
Sind die Gesichtsmuskeln entspannt, führt dies zu weniger tiefen Falten. Mitunter verschwinden die Falten komplett. Das gilt meist bei oberflächlicheren Falten. Das Wissen darüber, wie die Muskeln verlaufen und welche Funktion sie haben ist essentiell für eine erfolgreiche Faltenbehandlung.
Der Behandlungserfolg hält in den ersten Jahren drei bis sechs Monate an. Grund dafür ist, dass Botulinumtoxin vom Körper des Menschen schnell abgebaut wird. Wird die Behandlung einige Jahre wiederholt, dann kann sich die Wirkung auf neun bis zwölf Monate verlängern.
Botulinum wird bevorzugt im oberen Drittel des Gesichts eingesetzt. Stirn- oder Lachfalten werden mit diesem Wirkstoff behandelt. Grübchen am Kinn oder Falten am seitlichen Nasenrücken springen ebenfalls auf Botulinum an. Sogar für Falten am Hals oder Dekolleté-Falten handelt es sich um einen vielversprechenden Ansatz. Bei hängenden Mundwinkeln (Marinettenfalten), Oberlippenfalten, Hamsterbäckchen, Kinnfalten, Zornesfalten, Denkerfalten oder einem sogenannten Truthahnhals ist die Behandlung mit Botulinum vielversprechend.
BTX-A-Präparate werden bei ganz unterschiedlichen Falten eingesetzt. Nicht immer ist das Präparat dafür zugelassen. Werden die Präparate trotzdem für die Behandlung eingesetzt, spricht man von einem Off-Label-Use. Patienten müssen über die fehlende Zulassung aufgeklärt werden.
Unabhängig von einer Zulassung scheinen folgende Indikationen geeignet zu sein:
Bei der Injektion von Botulinumtoxin kommen dünne Nadeln zum Einsatz. Diese setzt der behandelnde Arzt gezielt, um die störenden Falten zu eliminieren. Meistens spüren Patienten einen minimalen Einstichschmerz und ein kurzes Brennen. Damit keine Blutergüsse an den Einstichstellen zurückbleiben, wird ein Tupfer auf diese Stellen gedrückt. Die Behandlungsareale sollten gekühlt werden, um Schwellungen zu vermeiden.
Die Behandlung wird ohne Narkose durchgeführt. Die Patienten sind im Anschluss an die Behandlung in den meisten Fällen sofort gesellschaftsfähig. In einigen Fällen bleiben aber Blutergüsse zurück. Durch ein geschicktes Make-up können diese kaschiert werden. Binnen weniger Tage sind die äußerlichen Anzeichen komplett verschwunden. Der erste Behandlungseffekt ist binnen 48 bis 72 Stunden zu erkennen. Nach ein bis zwei Wochen wird der volle Effekt erreicht. In Einzelfällen kann es länger dauern, bis die Wirkung eintritt.
Kleine Schwellungen oder Blutergüsse sind zwei der zu erwartenden Nebenwirkungen. Womöglich fühlen sich die Patienten etwas unwohl, müde oder bekommen Kopfschmerzen. Hautausschläge und Juckreiz - diese Nebenwirkungen treten in seltenen Fällen auf. Allergische Reaktionen sind nicht auszuschließen. Wer an Allergien leidet, sollte vorher den Rat des Arztes aufsuchen.
Hinsichtlich der Kopfschmerzen tritt zum Teil ein gegenteiliger Effekt auf. Viele Patienten berichten, dass sich ihre bisherigen Kopfschmerzen durch eine Behandlung mit Botulinumtoxin bessern. Dies ist auf die muskelentspannende Wirkung zurückzuführen. Komplikationen wie Sehstörungen, die von kurzer Dauer sind, sind selten. Gleiches gilt für herabhängende Oberlider oder Augenbrauen sowie Mundwinkel. Ein gut ausgebildeter Arzt wird die Risiken für seine Patienten minimieren.
Bei der Behandlung von krankhaften Muskelverspannungen ist Botulinumtoxin seit mehreren Jahrzehnten im Einsatz. Diese Praxiserfahrungen deuten darauf hin, dass mit langfristigen Nebenwirkungen bei der Verwendung dieses Wirkstoffes nicht zu rechnen ist. Nachdem die Wirkung von Botulinumtoxin abgeklungen ist, funktionieren die Muskeln und Nerven wie zuvor. Bei Falten kommt Botulinumtoxin seit 1989 zum Einsatz, sodass auch hier Langzeiterfahrungen vorliegen.
Obgleich es sich bei Botulinumtoxin um ein Gift handelt, ist die Gefahr einer Vergiftung nicht gegeben. Im ästhetischen Bereich wird das Toxin nur in geringen Mengen genutzt. Außerdem wird das Gift an der Stelle, an die es der Arzt spritzt, gebunden. Es kann nicht in den menschlichen Kreislauf gelangen und löst daher keine Vergiftungsreaktion aus. Aus Sicherheitsgründen ist es dennoch besser, während der Schwangerschaft und Stillzeit auf eine Behandlung mit diesem Wirkstoff zu verzichten.
Botulinumtoxin kann ideal mit anderen Methoden kombiniert werden. Dazu gehört die Verwendung von Füllmaterialien, wie Hyaluronsäure, ein chemisches Peeling, Laserbehandlung (Laserablation) und der Einsatz einer Blitzlampe (Photorejuvenation). Der Wirkstoff kann zur Optimierung ästhetisch-operativer Verfahren eingesetzt werden (zum Beispiel nach einem Stirnlift oder einer Augenlidkorrektur).
Die Kosten für eine Faltenbehandlung mit Botulinumtoxin hängen von der Anzahl der Injektionen und Dosierung ab. Ab 100 bis 350 Euro ist eine Behandlung möglich. Unter Umständen werden dem Patienten neben Botulinum weitere Filler gespritzt, um stark ausgeprägte Falten zu glätten. Diese Filler oder die Unterspritzung mit Eigenfett sorgen dafür, dass die Behandlung bis zu 1500 Euro oder mehr kostet. Dabei handelt es sich allerdings um keine reine Botulinumtoxin-Behandlung.
aktualisiert am 09.03.2022